20.08.2022 09:33 Uhr

Die Lage im Atomreaktor Saporischschja bleibt angespannt. Sollte das Reaktorkühlsystem des russischen Kraftwerks ausfallen, könnte das Kernkraftwerk eine Bedrohung für die Ukraine und ganz Europa darstellen. Plant Moskau nun, sich vom ukrainischen Stromnetz zu trennen? Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Moskau beschuldigt, eine “groß angelegte Provokation” im Kernkraftwerk Saporischschja geplant zu haben. Ziel sei es, die Trennung des Kraftwerks vom ukrainischen Stromnetz und den Anschluss an das russische Stromnetz zu rechtfertigen, sagte er in einer Videoansprache. In der Zwischenzeit äußerten ungenannte westliche Beamte ihre Besorgnis darüber, ob das Wasserkühlsystem des von Russland kontrollierten Kernkraftwerks gewartet werden kann. Das berichtet der britische “Guardian”. Sie warfen der russischen Seite auch vor, die Einrichtungen nicht ordnungsgemäß zu warten. Das vorhandene Reaktorkühlsystem ist entscheidend für die Standortsicherheit und hängt von der Aufrechterhaltung der Stromversorgung ab. Laut Guardian besteht die Befürchtung, dass Russland die Versorgung kappen könnte, wenn es versucht, die Anlage vom ukrainischen Stromnetz zu trennen. Am Freitag teilte der staatliche ukrainische Energieversorger Energoatom mit, es gebe Hinweise darauf, dass russische Truppen sich entsprechend vorbereiten. Diese Angaben können nicht bestätigt werden. Doch auch der französische Präsident Emmanuel Macron wiederholte die Warnungen: Russland plane möglicherweise, sich vom ukrainischen Stromnetz zu trennen. „Das russische Militär sucht derzeit nach Kraftstofflieferanten für Dieselgeneratoren“, sagte Energoatom. Die Dieselgeneratoren sollten nach dem Abschalten der Kernreaktoren die Kühlsysteme für den hochradioaktiven Kernbrennstoff am Laufen halten. Ein Stromausfall in Saporischschja, Europas größtem Atomkraftwerk, würde die Südukraine besonders hart treffen. Internationale Aufmerksamkeit gilt Saporischschja, weil ein Militärschlag auf die Reaktoren eine nukleare Katastrophe ähnlich der von Tschernobyl im Jahr 1986 auslösen könnte. Damals wurde nicht nur die unmittelbare Umgebung permanent verstrahlt, sondern radioaktiver Fallout fiel auf mehrere europäische Länder . Einer der westlichen Beamten sagte dem “Guardian”, er sehe in den Kämpfen um das ukrainische Atomkraftwerk weniger Gefahr als in einem möglichen Ausfall des Kühlsystems. Kernreaktoren sind so konstruiert, dass sie relativ starken Erschütterungen – etwa dem Aufprall eines Passagierflugzeugs – standhalten. Die Ukraine und Russland machen sich gegenseitig für die anhaltende Bombardierung des Atomkraftwerks verantwortlich. Das Kernkraftwerk wurde im März von russischen Streitkräften beschlagnahmt und wird weiterhin von ukrainischen Wissenschaftlern und Mitarbeitern betrieben.