In der Schweiz erkranken jedes Jahr schätzungsweise 15’000 Menschen an Sepsis – ein Drittel der Fälle verläuft trotz Behandlung tödlich. Unbehandelt kann eine Sepsis innerhalb von Stunden tödlich sein. Umso wichtiger ist es, die ersten Symptome frühzeitig zu erkennen. Denn je früher die Diagnose und Behandlung erfolgt, desto größer sind die Überlebenschancen.
Das Sterblichkeitsrisiko wurde um 20 Prozent reduziert
Ein Forscherteam der Johns-Hopkins-Universität hat nun ein auf künstlicher Intelligenz basierendes Frühwarnsystem entwickelt, das Medizinern helfen soll, die Symptome einer Sepsis frühzeitig zu diagnostizieren. Die Forscher testeten dieses System in einer großangelegten Kohortenstudie. Mehr als 4.000 klinische Mitarbeiter in fünf Krankenhäusern und etwa 590.000 Patienten nahmen daran teil. Das wichtigste Ergebnis: Dank der künstlichen Intelligenz konnten Symptome einer Sepsis Stunden früher als mit bisherigen Methoden erkannt werden, wodurch die Wahrscheinlichkeit, dass betroffene Patienten an einer Sepsis versterben, um 20 % gesenkt werden konnte. „Dies ist der erste Fall, in dem künstliche Intelligenz am Bett eingesetzt wird, von Tausenden von Pflegekräften verwendet wird und bei dem wir sehen können, wie Leben gerettet werden“, sagte Suchi Saria, Gründungsdirektor des Malone Center for Engineering in Healthcare an der Johns Hopkins University . und Erstautor der Studie. Dank dieses Systems können in Zukunft tausende Sepsispatienten gerettet werden. Mittlerweile wird der Ansatz auch in anderen Bereichen angewendet, um die medizinische Versorgung zu verbessern.
Der Medizininformatiker Suchi Saria leitet das Machine Learning and Health Lab an der Johns Hopkins University. (Quelle: Will Kirk / Johns Hopkins University)
Abgleich von Anamnese und aktuellen Laborergebnissen
Das System heißt Targeted Real-Time Early Warning System (TREWS). Laut einer Erklärung der Johns Hopkins University kombiniert es medizinische Aufzeichnungen und klinische Aufzeichnungen, um Patienten mit einem Risiko für lebensbedrohliche Komplikationen zu identifizieren. Zusätzlich vergleicht ein Algorithmus die Krankengeschichte des Patienten mit aktuellen Symptomen und Laborergebnissen. Das System soll dann dem behandelnden medizinischen Personal anzeigen, ob und inwieweit eine Person sepsisgefährdet ist. TREWS empfiehlt auch entsprechende Behandlungen, wie die Gabe von Antibiotika.
82 Prozent Erfolgsquote
Insgesamt habe die KI 82 Prozent der Sepsis-Fälle korrekt identifiziert, schreiben die Studienautoren im Fachblatt Nature Medicine. Und in 38 Prozent der Fälle schlug die KI frühzeitig Alarm, den ein Arzt dann bestätigen konnte. In besonders schweren Fällen konnte die Krankheit dank des Frühwarnsystems im Schnitt fast sechs Stunden früher erkannt werden als mit herkömmlichen Methoden. Laut der Pressemitteilung ist das Ergebnis eine deutliche Verbesserung gegenüber früheren Versuchen, digitale Tools zur Erkennung von Fäulnis einzusetzen. Bisher hätten vergleichbare Tools weniger als die Hälfte der Fälle korrekt erfassen können.
Empfehlungen sollten verständlich sein
TREWS hat gegenüber anderen auf maschinellem Lernen basierenden Tools, die der Medizin bei der Entscheidungsfindung helfen sollen, einen weiteren Vorteil: Im Gegensatz zu herkömmlichen Ansätzen können Ärzte mit diesem System nachvollziehen, so die Johns Hopkins University, weil künstliche Intelligenz bestimmte Empfehlungen gibt. „Das ist in vielerlei Hinsicht ein Durchbruch“, sagt Albert Wu, Professor an der Johns Hopkins University in Baltimore und Mitautor der Studie. „Bisher lagen die meisten dieser Systeme viel öfter falsch als richtig.“ Und solche Fehlalarme würden letztendlich das Vertrauen in diese Systeme untergraben. ETH-Informatik-Professorin Julia Vogt forscht übrigens auch in der Schweiz an neuen Machine-Learning-Methoden für die klinische Datenanalyse. In ihrem Fachartikel beschreibt sie, wie künstliche Intelligenz bei der Früherkennung von angeborenen Herzfehlern helfen kann.